JVA-Fuhlsbüttel (Santa Fu) vom Hasenberge aus fotografiert
23. Juli 2021

Die Regen­bo­gen­fah­ne und der Knast

Von tomate
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Erst­mals weht eine Regen­bo­gen­flag­ge vor einem Ham­bur­ger Gefäng­nis (Arti­kel auf que​er​.de), direkt neben der Deut­schen und der Ham­bur­ger Fah­ne. Die Ham­bur­ger Jus­tiz­se­na­to­rin Anna Gal­li­na (Grü­ne) erklärt, war­um die Fah­ne da nun hängt: 

Lan­ge Zeit wur­den Homo­se­xu­el­le hier­zu­lan­de straf­recht­lich ver­folgt. Allein wegen ihrer sexu­el­len Ori­en­tie­rung wur­den sie ver­haf­tet und auch in Ham­burg ins Gefäng­nis und ins KZ gebracht.“ Der Para­graf 175 stell­te Homo­se­xua­li­tät seit 1872 unter Stra­fe und „war noch jahr­zehn­te­lang nach dem Zwei­ten Welt­krieg ein dunk­les Kapi­tel im Straf­ge­setz­buch“ und wei­ter „Die­se Erin­ne­rung ist ein wirk­sa­mes Gegen­gift gegen Aus­gren­zung, Ungleich­be­hand­lung und Into­le­ranz gegen­über LSBTIQ.“ und ich kot­ze im Strahl.

Ich fin­de es rich­tig, an die Opfer des Rechts­sys­tems zu geden­ken aber doch nicht so. In ein paar Tagen ist die Fah­ne vor dem Gefäng­nis Fuhls­büt­tel wie­der weg und das Geden­ken damit auch. Das Geden­ken ist dem Ham­bur­ger Senat also so wich­tig, dass es nicht mal für eine Tafel oder einen Stein reicht. Nie­mand wird beim Anblick der Fah­ne an die Opfer den­ken son­dern ent­we­der „ja, genau, die gehö­ren in den Knast.“ oder „Aha, jetzt wol­len sie uns schon in den Knast ste­cken wenn ich nicht schwul bin.“ 

Was der Ham­bur­ger Senat da macht ist pink­wah­sing. Schwu­le Män­ner wer­den nach wie vor in Knäs­ten sank­tio­niert. Trans­men­schen wer­den will­kür­lich in Gefäng­nis­se für ein ande­res Geschlecht gepackt (Trans im Knast, Mis­sy Maga­zi­ne) und die gesund­heit­li­che Ver­sor­gung ist desas­trös. Dro­gen­ge­brau­chen­de bekom­men nicht die die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung, die sie benö­ti­gen (und dar­un­ter fal­len natür­lich auch que­e­re Dro­gen­ge­brau­chen­de) und ins­ge­samt wird que­ren Men­schen weder die phy­si­sche noch psy­chi­sche Behand­lung und Unter­stüt­zung zuteil, die sie benö­ti­gen. Das hat alles nichts mit „Stra­fe“ oder „Reso­zia­li­sie­rung“ zu tun son­dern mit andau­ern­der Diskriminierung.

Knäs­te sind nicht das, wofür unse­re Fah­ne steht. Knäs­te sind Teil Repres­si­on und nicht Teil der quee­ren Befrei­ung. Aber klar, es sind wie­der die Heten, die ent­schei­den, wo unse­re Sym­bo­le hän­gen, kle­ben oder wehen. Es sind die Heten, die ent­schei­den, was sie aus­drü­cken und sagen wol­len. Auf kei­nen Fall darf die Ent­schei­dung, wo oder wann die Rege­bo­gen­fah­ne weht uns über­las­sen wer­den, denn wenn es so wäre, kön­nen sie uns ja nicht mehr unterdrücken. 

Das ein­zi­ge, was der Senat gera­de tun kann: Nehmt die Fah­ne ordent­lich run­ter und packt sie weg. Und plat­ziert ihr für das Geden­ken eine Pla­ket­te und beginnt, die Dis­kri­mi­nie­rung quee­rer Men­schen abzu­bau­en, indem ihr zum Bei­spiel das TSG abschafft, quee­ren Men­schen Zugang zu der Ver­sor­gung gewähr­leis­tet, die sie benö­ti­gen (was auch que­e­re Gefan­ge­ne mit ein­schließt) und indem ihr nie wie­der auf die Idee kommt, unser Sym­bol vor einem Knast zu his­sen. Der Regen­bo­gen steht nicht für Repres­si­on son­dern unse­rer Frei­heit.


Titel­bild: Ger­hard Kem­me at Ger­man Wiki­pe­dia, Public domain, via Wiki­me­dia Commons