Eine Gruppe von Menschen sitzt mit Schildern auf dem Boden.
31. Oktober 2021

Wir wer­den trotz­dem tot geschlagen

Von tomate
Lese­dau­er 2 Minu­ten

Was ist das eigent­lich mit den quee­ren Men­schen da drau­ßen? Also, nicht mit allen, son­dern mit denen, die stän­dig mit­tei­len müs­sen, dass ihre Que­er­ness ja nichts beson­de­res sei und sie auf kei­nen Fall anders behan­delt wer­den wol­len als nicht-que­e­re Men­schen. Ja nicht auf­fal­len, ja nicht die eige­ne Anders­ar­tig­keit aner­ken­nen. Nicht auf­fal­len. Nicht bei der Mehr­heits­ge­sell­schaft anecken. Lang­wei­lig sein. Cis sein. Hete­ro sein. Min­des­tens die „Nor­ma­li­tät“ kopie­ren, wenn nicht gar von ihr assi­mi­liert wer­den. „Wie sol­len wir denn akzep­tiert wer­den, wenn wir uns als etwas beson­de­res anse­hen?“ wer­de ich oft gefragt. Mei­ne Ant­wort ist recht ein­fach: Wir sind etwas besonderes.

Zwei Gene­ra­tio­nen quee­rer Men­schen sind ver­schwun­den, die eine in den KZs und Gefäng­nis­sen der Nazis, die ande­re ist an AIDS ver­stor­ben. Zwei Gene­ra­tio­nen. Ein­fach weg. Wir sind aber hier. Wir kämp­fen alle­samt in die­ser Welt ums über­le­ben, wol­len leben um zu lie­ben, um (nicht) zu ficken und … zu leben. Leben um des Lebens wil­len. Weil wir exis­tie­ren. Wir kämp­fen um eini­ge Meter der Stra­ßen, um ein paar Qua­drat­me­ter Flä­che für uns und sind auf das Wohl­wol­len der Mehr­heits­ge­sell­schaft ange­wie­sen. Erzähl mir doch noch­mal jemand, dass wir nichts Beson­de­res sind.

Wir haben so vie­le ver­lo­ren und ver­lie­ren immer noch so vie­le an Gewalt und Sui­zi­de. Jedes que­e­re Leben, dass vor­zei­tig been­det wird, ist eine Wun­de die Nar­ben in unse­rer gemein­sa­men Geschich­te hin­ter­lässt. Wir trau­ern um die­je­ni­gen die wir ver­lo­ren haben aber fei­ern nicht die­je­ni­gen, die noch da sind, ds klingt doch schon falch, oder? Wir sind que­er und wir sind am Leben, das ist etws beson­ders. Allei­ne des­we­gen sind wir etwas besonderes.

Das Ver­hal­ten vie­ler gera­de jun­ger Que­ers erin­nert mich an Rosa von Praun­heims „Nicht der Homo­se­xu­el­le ist per­vers son­dern die Umstän­de unter denen er lebt“: „Schwu­le wol­len nicht schwul sein, son­dern so spie­ßig und kit­schig leben wie der Durch­schnitts­bür­ger. […] Da die Schwu­len vom Spie­ßer als krank und min­der­wer­tig ver­ach­tet wer­den, ver­su­chen sie, noch spie­ßi­ger zu wer­den, um ihr Schuld­ge­fühl abzu­tra­gen mit einem Über­maß an bür­ger­li­chen Tugen­den. Ihre poli­ti­sche Pas­si­vi­tät und ihr kon­ser­va­ti­ves Ver­hal­ten sind der Dank dafür, dass sie nicht tot­ge­schla­gen werden.“

Wir sind que­er und unse­rer Her­zen schla­gen, wir atmen und wir bevöl­kern die­se Welt und wir dür­fen, nein, viel­leicht müs­sen wir sogar unse­re Que­er­ness fei­ern so lan­ge es geht, denn bis­her kön­nen wir tun was wir wol­len es ist egal. Wir wer­den trotz­dem tot geschlagen.